„Wir spielen zur Ehre Gottes.“

Chronik des Posauenchors Offenbach

Die Chronik des Posaunenchors Offenbach beginnt im Jahre 1905, als ein sächsischer Handwerksmeister namens Otto Wagner in die zum damaligen Großherzogtum Hessen gehörende Stadt am Main kam. Da er Mitglied im Verein Christlicher Junger Männer war, versuchte er beim dortigen CVJM Anschluss zu finden. Hierüber entstand Kontakt zu den CVJM-Gruppen in Frankfurt, Wiesbaden, Mainz und Darmstadt, welche sogar über eigenständige Posaunenchöre verfügten. Die Möglichkeit, im Frankfurter Evangelischen Jugendkreis an der Posaunenarbeit mitzuwirken, spornte Otto Wagner und fünf junge Mitstreiter im CVJM an, auch in Offenbach einen Posaunenchor zu gründen. Sie fassten jenen Entschluss quasi aus dem Nichts, was außerordentlich mutig war. Denn es mussten hierfür sowohl musikbegeisterte Interessenten gewonnen werden als auch die finanziellen Mittel beschafft werden für Instrumente, Noten, Ausbildung etc. In heutiger Zeit ist ein solcher Schritt, völlig ohne zur Verfügung stehende Basis kaum noch vorstellbar.

Mit Hilfe eines Empfehlungsschreibens der beiden damaligen Offenbacher Pfarrer Dittmar und Palmer sammelte Otto Wagner erste Spenden in Höhe von 340 Mark. Dieses Startkapital wurde auf Rat des Posaunenchorleiters der Frankfurter Nordostgemeinde zum Kauf von sechs Instrumenten (drei Trompeten, zwei Tenorhörner, ein B-Baß) verwendet. Für die Ausbildung der ersten sechs Bläser, die allesamt blutige Anfänger waren, konnte der stellvertretende Kapellmeister des 5. großherzoglich-hessischen Infanterieregiments Nr. 168 gewonnen werden, dessen Teile in Offenbach in Garnison lagen. Er erreichte - bei einem Honorar von 3 Mark pro Probenabend -, dass der kleine Chor nach einem halben Jahr gemeinsamen Übens ab Februar 1905 und, nachdem noch ein ausgebildeter Bläser aus Württemberg dazu gestoßen war, sein Debut geben konnte. Das geschah bei einer Evangelisation in der Turnhalle der Goethestraße mit dem Choral „Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren“.
Der Wahlspruch des Chores war fortan: „Wir spielen zur Ehre Gottes.“

Als erster ständiger Dirigent des jungen Posaunenchors konnte Herr Weisenborn von der Frankfurter Nordostgemeinde gewonnen werden. Die Evangelische Gesamtgemeinde Offenbach stellte dem CVJM und damit den Bläsern einen kleinen Übungssaal zur Verfügung, welcher sich im neu erworbenen Gemeindehaus in der Sandgasse 45 befand, dem ehemaligen ältesten Gasthaus Offenbachs „Zum grünen Baum“. Somit konnte der Offenbacher Posaunenchor aus seinem ersten kleinen CVJM-Vereinslokal in der Bieberer Straße ausziehen.
Bei der Beerdigung seines leider bald verstorbenen ersten Dirigenten auf dem Frankfurter Hauptfriedhof spielte der kleine Offenbacher Posaunenchor erstmals im großen Chor der Frankfurter Posaunenchöre mit.

Nach den Dirigenten Heller und Hagenah wechselte die Chorleitung 1924 an den sächsischen Schreinermeister und ausgebildeten Posaunenbläser Arthur Piepjohn, der bereits 1907 nach Offenbach gekommen war und bis zum Ende des Ersten Weltkrieges Kapellmeister des 168. Infanterieregiments war.
Unter ihm nahm in der Nachkriegszeit die Chorarbeit starken Aufschwung und die Mitgliederzahl stieg auf ca. dreißig Aktive an.

Der Zweite Weltkrieg jedoch brachte fast das Ende des Offenbacher Posaunenchors. Viele Bläser waren gefallen, dazu war das Übungslokal in der Sandgasse durch einen Brand zerstört worden, wobei auch fast sämtliche Unterlagen vernichtet wurden. Ein ovaler Stempel mit der Beschriftung „Posaunen-Chor Offenbach a.M., gegründet 1905“, welcher Zeugnis gab von seiner langjährigen Geschichte, konnte jedoch gerettet werden.

Vorübergehend hatte der Chor Unterkunft gefunden in der Kapelle des Isenburger Schlosses. Den Neuanfang nach dem Kriege gab es jedoch erst 1946, als ihn die Offenbacher Luthergemeinde mit dem späteren Dekan Friedrich Eckert aufnahm und ihm eine neue Heimat gab. Große Verdienste beim Neuaufbau des Posaunenchors hatte sein damaliger Vorsitzender Eugen Roth, der neue Bläser ausbildete.

Im Jahre 1955 gab Arthur Piepjohn die musikalische Leitung ab. Unter den ihm nachfolgenden Chorleitern Kurt Altmann und Jan Daube sank die Zahl der aktiven Bläser stark und wuchs erst in den 70er und 80er Jahren wieder auf ca. fünfzehn Personen an.

1961 hatte Karlheinz Fey, Organist der evangelischen Kirche Bieber und später der Evangelischen Friedenskirche, die Chorleitung übernommen, welche er über vier Jahrzehnte innehatte. Neben der traditionellen Posaunenchormusik lag ein Schwerpunkt seiner engagierten Arbeit in der Öffnung des Chores hin zur modernen Kirchenmusik. In dieser Zeit war Manfred Kremhöller Vorsitzender des Posaunenchores, welcher seine Aufgaben, zu denen auch die Ausbildung der Nachwuchsbläser gehörte, mit großem persönlichem Einsatz erfüllte.

Im Jahr 1973 zogen die Bläser erneut um, in die Matthäusgemeinde in der Ostpreußenstraße. Ihr damaliger und langjähriger Pfarrer Rolf Vogel war der Posaunenchormusik sehr aufgeschlossen, wie auch der Chor große Unterstützung fand im damaligen Dekan Dr. Gerd Rosenberger.

Im Jahr 2004 gab es den bisher letzten Wechsel in der musikalischen Leitung, als Dr. Doris Neumann und Dr. Marcus Neumann, beides langjährige Trompeter des Chores, ihn nach der Ausbildung zum Posaunenchorleiter bei der EKHN gemeinsam übernahmen. Den Vorsitz und die organisatorische Leitung hat seitdem Doris Kern. Ein Jahr später konnte der Posaunenchor mit einer ganzen Reihe von Veranstaltungen sein hundertjähriges Bestehen feiern, welches auch von der Stadt Offenbach mit seinem damaligen Oberbürgermeister Gerhard Grandke gewürdigt wurde.

Seit dieser Zeit erweiterte der Chor sein musikalisches Repertoire hin zu Swing und Moderne, wobei aber auch Klassik und die traditionellen Wurzeln der Posaunenmusik nicht außer Acht gelassen wurden. Auch das Auftrittsspektrum hat sich seitdem erweitert. So eröffneten die Bläser beispielsweise im Jahr 2005 das Offenbacher Benefizkonzert für die Seebebenopfer im Capitol, bereicherten im Mozartjahr 2006 mit einem eigenen Konzert die Feierlichkeiten der Stadt für diesen großen Komponisten oder setzten mit einem Konzert zur Fußball-Europameisterschaft 2008 Akzente zur christlichen Völkerverständigung.

Im Dezember 2010 schließlich fand der letzte Umzug des Posaunenchors Offenbach statt und zwar in die neue / alte Heimat, die Luthergemeinde, wo der Chor seit Januar 2011 sein Zuhause hat.

Diese Chronik wurde erstellt aufgrund der wenigen noch zur Verfügung stehenden Unterlagen, d.h. Berichten der Gründer bzw. Zeitzeugen, Zeitungsartikeln und Bilddokumenten. Da manche Angaben widersprüchlich sind, mussten verschiedene Fragen leider offen bleiben.

Offenbach im Januar 2011
Dr. Marcus Neumann